Mittwoch, 5. April 2006

Leichenschmaus

Meine Großmutter ist gestorben. Mit 86, daheim, nach anderthalb Wochen Bettlägerigkeit, in den Armen ihres Sohnes. Ihre letzten Worte zu ihrer Schwiegertochter waren: "Oh, Annette, i glaub, i varreck etzt nau." Ihre letzten Worte zu meinem Onkel hat der für sich behalten.

Schöner sterben geht heute nicht mehr. Die Beerdigung war auch sehr schön. Der katholische Pfarrer, dessen Homosexualität ihm ebenso deutlich ins Gesicht geschrieben stand wie sein Nihilismus (er hat sich wohl nur der Homosexualität halber seinesgleichen angeschlossen), fand nette Worte. Auf dem Friedhof lief es pannenfrei weiter. Als der viel zu große Sarg für das kleine tote Menschlein zu Grabe getragen wurde, riss der Himmel auf und die Sonne schien meiner Großmutter ins Grab. Und ich spürte, dass ich am Leben bin und etwas anfangen muss mit meinem Leben, mehr als bisher.

Das beste aber war der Leichenschmaus. Was haben wir gelacht in der Wirtschaft, als meine Mutter, die älteste Tochter der Verstorbenen, aufgestanden ist und die Bestellung abgegeben hat: "Meine Mutter hat in der Wirtschaft immer nur Wiener Schnitzel gegessen. Weil in was anderem sind Ratzen drin. Herr Wirt, vergessen Sie, was die Leute bestellt haben. Wir essen jetzt alle ein Wiener Schnitzel."

Wenn ich mal tot bin, sollen auch alle lachen.

Authentisch

Kunde, diktatorisch: "Telefontermin Montag um zehn."
Stachanow, authentisch: "Zehn passt mir leider nicht, am Montag hat Frau Stachanowa Geburtstag, da pflegen wir ausgiebig zu frühstücken. Können wir auf 14 Uhr verschieben?"
[Edit: Der Job ist überhaupt nicht zeitkritisch, mit dem Kunden arbeite ich seit 1996 zusammen.]
Kunde, ärgerlich: "Wenn Ihnen Privates vorgeht, haben Sie einen Kunden weniger."
Stachanow, devot und gar nicht mehr authentisch: "Entschuldigung, natürlich am Montag, jaja, sehr wohl."

Seither kann ich mich nicht mehr leiden. Und ich kann mit niemandem zusammenarbeiten, den ich nicht leiden kann. Den Kunden rausschmeißen geht nicht, weil sonst Arbeitsplätze verloren gingen. Meiner natürlich nicht, als Cheffe. Es würde einen Unschuldigen treffen.
[Edit: Hätte ich irgendeinen Geschäftstermin vorgeschoben, der Kunde wäre problemlos auf 14 Uhr mitgegangen.]

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