Die Bundesnetzagentur schreibt soeben per E-Mail einen meiner Kunden an und fordert ihn auf, an einer Erhebung zum Thema Schienengüterverkehr teilzunehmen und sensible Unternehmensdaten einzureichen. Mit dem üblichen: "Wir sind der Staat und wehe, du kommst deiner Auskunftsverpflichtung nicht nach, dann aber ..."
Was der eigentliche Hammer ist: Die Bundesnetzagentur hat in der Mail sämtliche Empfängeradressen offengelegt. Mindestens 200 Stück.
Stachanow - 2. Jun, 16:00
Bekomme gerade einen Job vom Lektor zurück.
Ich schreibe:
"Sie beschließen, etwas neues, etwas anderes zu machen."
Lektor sagt:
"Sie beschließen, etwas Nneues, etwas anderes zu machen."
Etwas Neues wird groß, etwas anderes bleibt klein. Neue deutsche Rechtschreibung. Dass ich nicht lache.
Stachanow - 2. Jun, 15:55
Im Grenzgebiet zwischen dem Landkreis Günzburg und dem Landkreis Unterallgäu unterwegs, frage ich in Waltenhausen einen etwa 25-jährigen blondierten, zwei Zentner schweren Mann, der auf einer Baustelle mit der Flachseite eines Beils Nägel in eine Holzverschalung schlägt, nach dem Weg nach Hörlis.
Seine Antwort eine Gegenfrage:
"Waswillschnaudau?" Zu deutsch: Was willst du nachher dort.
Dann sagt er: Weiter nach Hairenbuch, im Dorf nach der Bachbrücke links nach Herretshofen, dort an der Kapelle links, dann kommt zwei Kilometer gar nichts (Ich sage: Es kam schon die letzten 30 Kilometer nicht viel, aber auf den Einwand reagiert er, zwei Zentner schwer und mit einem Beil bewaffnet, zum Glück nicht), dann wieder links, den Stich hinunter, dann bist du in Hörlis.
Es stimmt. Ich bin in Hörlis.
Waswillschnaudau? Ich ahnte schon immer, dass die bayerischen Schwaben, ohne es zu wissen, Philosophen sind.
Stachanow - 2. Jun, 10:44
Heute Vorstellungsgespräche. Zwei Halbtagssekretärinenn in der engeren Wahl. Die eine gut vorbereitet, gescheit, frech, sicher nicht konfliktscheu, selbstbewusst bei der Gehaltsforderung, auch bestimmt nicht einfach im Umgang. Die andere umgänglich, "teamfähig", wie es heißt, bestimmt bienenfleißig.
Ich glaube, meine Wahl ist gefallen.
Stachanow - 29. Mai, 23:51
Heute kommt mein Kollege M. mit messerscharf gebügelter Anzughose ins Geschäft, oben herum aber im Flanellhemd, Marke Holzfäller, das Schuhwerk voller Farbkleckse. Hintergrund der lustigen Zusammenstellung: Kollege M. renoviert sein Haus, das Outfit war das letzte greifbare.
Was bin ich froh um diese kleinen Freiheiten.
Morgen besuche ich einen Kunden mit dem Motorrad, in Leder-Gummi-Latex.
Stachanow - 29. Mai, 23:46
Die vorige Putzfrau lebt offenbar in runden Räumen, denn die Ecken des Büros hat sie grundsätzlich ignoriert. Wir haben sie immer wieder darauf angesprochen, mit Engelszungen. Irgendwann hat mein Kompagnon dann die Sekretärin einen Putzplan erstellen lassen. Daraufhin hat die Putze gekündigt.
Wir suchen also eine neue, auf Mini-Job-Basis, per Aushang in der Bäckerei nebenan. Innerhalb einer Stunde ruft die erste Bewerberin an. Junge Stimme, sächselt. Sie kommt am nächsten Tag vorbei zum Vorstellen. Wirkt zerbrechlich, ist so jung wie ihre Stimme. Stellt sich vor mit: "Ich bin Frau S.".
Frau S. sich extra schick gemacht, trägt irgendein abgeschabtes Festtagskostüm mit Pailetten. Sie nestelt aufgeregt an den Ärmeln. Sie schaut sich um, ich sage "zehn Euro die Stunde", sie sagt ja.
Am selben Abend noch kommt sie zur Putz-Premiere. Um 20 Uhr. Im Schlepptau ihre dreijährige Tochter, die Große. Die Kleine sei daheim beim Vater. Die große Dreijährige hat ein Malbuch dabei. Und einer Decke unterm Arm. Frau S. ist es sichtlich peinlich, mich noch anzutreffen. Schüchtern fragt sie, ob das Kind auf dem Sofa liegen dürfe. Welche Frage, klar darf es das. Ich unterhalte mich mit dem Mädchen, zwinkere ihm zu und sage Sachen, die man halt in dem Moment sagt: "Wie heißt du? Gehst du in den Kindergarten?" und so. Das Mädchen hat hörbar Sprachstörungen. Meine Kinder sind sechs und neun. Sie liegen abends um acht Uhr im Bett und nicht auf Bürosofas.
Meine Kinder haben keine Sprachstörungen.
Die Mutter fragt nach, wie sie Putzmittel einkaufen soll, wenn welche ausgehen. Ich zeige ihr die Kasse und den Schlüssel dazu. Sie ist verschüchtert. "Ich, den Kassenschlüssel", fragt sie mehrfach im Tonfall von "Und führe mich nicht in Versuchung". Ich merke, sie hält das Ganze für einen Test. "In der Kasse sind selten mehr als ein paar Hunderter", sage ich. "Ein paar Hundert", murmelt sie und ich merke, dass ich gerade von ihrem monatlichen Familieneinkommen rede.
Ich verabschiede mich. Anderntags ist das Büro wie ausgeschleckt, die Frau muss bis spät in die Nacht geputzt haben. Wie blöd. Auf dem Schreibtisch im Empfangssekretariat liegt ihr Stundenzettel. Viereinhalb Stunden stehen drauf. Und "Danke für die Arbeit."
Und ich? Ich habe alles richtig gemacht und dabei ein schlechtes Gewissen.
Stachanow - 24. Mai, 17:31
Uwe-Karsten Heye hat bekanntlich eine Reisewarnung für ausländisch aussehende Menschen herausgegeben. Als ich, ein deutsch aussehender Blondi und Provinzler, unlängst in Berlin S-Bahn fuhr und dabei einen offenkundig fremdländisch aussehenden Menschen nach dessen Dafürhalten zu lange angesehen habe, drohte er mir Prügel an.
Gibt es auch Reisewarnungen für blonde Provinzler?
Und: Kommt man, wenn man sie ausspricht, damit in die Medien (die braunen Arschwische mal ausgenommen)?
Stachanow - 24. Mai, 17:27
Gryphius. Haut rein. Seit 1630:
Du siehst, wohin du siehst nur Eitelkeit auf Erden.
Was dieser heute baut, reißt jener morgen ein:
Wo itzund Städte stehn, wird eine Wiese sein
Auf der ein Schäferskind wird spielen mit den Herden.
Stachanow - 17. Mai, 01:50
Meine Kinder lieben Nici-Tiere. Sogar der Große, der mit neun eigentlich schon zu alt ist, opfert immer wieder mal nen Fünfer aus der Spardose für ein Stoffhuhn oder so was in der Richtung. Ist mir lieber als ein Bionicle, Exo-Force-Männchen oder anderes Kriegsspielzeug aus dem Hause Lego.
Heute steht in der
Zeitung, dass die Firma Nici mit dem WM-Maskottchen Goleo ein Eigentor geschossen hat. Der verkauft sich nicht, von Insolvenz ist die Rede. Das ist traurig für die 350 Leute in der oberfränkischen Provinz, wo Jobs fast so rar sind wie in der Ex-DDR. Aber dasss Nici jetzt in Schräglage geraten ist, zeigt auch, dass diese hochriskante Rechte-Vermarkterei und das pure Branding an Grenzen stößt, dass sich die Käufer nicht länger für blöd verkaufen lassen. Das sollte die anderen Rechte-Vermarkter abschrecken. Hätte Nici weiterhin knuffige Hühner und anderes Zeug zusammennähen lassen, hätte daraus was Bleibendes werden können. Wie es heißt, gibt es noch Hoffnung, dass die Banken mitspielen. Ich hoffe mit, für die 350 Leute.
Stachanow - 16. Mai, 10:46