Schluss
Am 8. November 1985 machte Peter das erste Mal einen ganzen Tag blau und fuhr mit der Linie 22 in die Stadt. Am Molkereistand des Stadtmarktes fraß er sich durch einen Riesenteller voll Grießbrei und ließ dem Ganzen einen Kaiserschmarren folgen. Früher hatte der Vater, wenn man zweimal im Jahr, zum Sommer- und Winterschlussverkauf, in die Stadt fuhr, die Familie auch auf den Molkereistand eingeladen. Ganz so wie daheim schmeckte es nicht, aber es war warm, klebrig, süß und gut. Dann schlenderte er los in eine Buchhandlung, um sich diesen Narziss und Goldmund zu kaufen, von dem Karen gesprochen hatte. Karen. Auch sie war warm, süß und gut.
Vor ihm trippelte eine junge Frau. Über ihren Stöckelschuhen trug sie weiß-blaue Ringelstrümpfe, dazu nachtschwarze Seidenshorts. Seidenshorts im November! Im passend zur Hose nachtschwarzgefärbten Haar, das in wilden Knicken vom Kopf abstand, steckte ein keckes Matrosenhütchen. Haare wie Sauerkraut, befand Peter abschätzig. Aber er musste zugeben: Solche Frauen kannte er bisher nur aus Duran-Duran-Videos.
Als sie die Maxstraße erreichten, bohrte sich die Sonne durch den weißen Hochnebel. Peter sog mit tiefen Zügen die Großstadtluft ein. Für seine Begriffe viel zu früh langte die Duran-Duran-Frau in ihren Blazer mit den monströsen Schulterpolstern und fingerte einen Autoschlüssel heraus. Sie stieg in einen 323er BMW mit Aichacher Nummer und fuhr mit quietschenden Reifen über das Kopfsteinpflaster auf und davon.
Peter verspürte Glückseligkeit. Mit einem Mal wurde ihm klar, dass die Frauen und die Autos niemals schöner werden würden als heute, an diesem 8. November 1985. Er war in der Blüte seines Lebens angelangt. In seinem Geldbeutel steckte das dicke Bündel Geld, das er beim Schafkopfen in der Uni-Cafeteria gewonnen hatte. Die Stadt gehörte ihm. Niemals mehr würde er der von Selbstzweifeln geplagte Dorfdepp sein. Am Königsplatz ging er aufs Klo und bewunderte, während er in dem Ammoniakgestank nach Atem rang, die Graffitis an der Wand. Am Wochenende würde er versuchen, etwas mit Karen zu unternehmen. Im Kino lief die City Cobra, aber vielleicht würde sie ihn auch anderswo hinschleppen. Und wenn nicht, würde er halt heimfahren. Erst daheim etwas essen und nach der Sportschau, Bayern gegen Dortmund, eine Runde flippern im Kupferdächle.
Aber eines war ihm klar: Selbst wenn es mit Karen nicht klappen würde, selbst wenn er am Wochenende heimfahren müsste – mit dem beschränkten Dorfbauerndasein, damit war jetzt endgültig, definitiv und ein für alle Male
Schluss.
Vor ihm trippelte eine junge Frau. Über ihren Stöckelschuhen trug sie weiß-blaue Ringelstrümpfe, dazu nachtschwarze Seidenshorts. Seidenshorts im November! Im passend zur Hose nachtschwarzgefärbten Haar, das in wilden Knicken vom Kopf abstand, steckte ein keckes Matrosenhütchen. Haare wie Sauerkraut, befand Peter abschätzig. Aber er musste zugeben: Solche Frauen kannte er bisher nur aus Duran-Duran-Videos.
Als sie die Maxstraße erreichten, bohrte sich die Sonne durch den weißen Hochnebel. Peter sog mit tiefen Zügen die Großstadtluft ein. Für seine Begriffe viel zu früh langte die Duran-Duran-Frau in ihren Blazer mit den monströsen Schulterpolstern und fingerte einen Autoschlüssel heraus. Sie stieg in einen 323er BMW mit Aichacher Nummer und fuhr mit quietschenden Reifen über das Kopfsteinpflaster auf und davon.
Peter verspürte Glückseligkeit. Mit einem Mal wurde ihm klar, dass die Frauen und die Autos niemals schöner werden würden als heute, an diesem 8. November 1985. Er war in der Blüte seines Lebens angelangt. In seinem Geldbeutel steckte das dicke Bündel Geld, das er beim Schafkopfen in der Uni-Cafeteria gewonnen hatte. Die Stadt gehörte ihm. Niemals mehr würde er der von Selbstzweifeln geplagte Dorfdepp sein. Am Königsplatz ging er aufs Klo und bewunderte, während er in dem Ammoniakgestank nach Atem rang, die Graffitis an der Wand. Am Wochenende würde er versuchen, etwas mit Karen zu unternehmen. Im Kino lief die City Cobra, aber vielleicht würde sie ihn auch anderswo hinschleppen. Und wenn nicht, würde er halt heimfahren. Erst daheim etwas essen und nach der Sportschau, Bayern gegen Dortmund, eine Runde flippern im Kupferdächle.
Aber eines war ihm klar: Selbst wenn es mit Karen nicht klappen würde, selbst wenn er am Wochenende heimfahren müsste – mit dem beschränkten Dorfbauerndasein, damit war jetzt endgültig, definitiv und ein für alle Male
Schluss.
Stachanow - 14. Apr, 13:55
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