Familie

Samstag, 5. November 2005

Dummer Stachanow

Heute hat mir meine Tochter ihren ersten Brief geschrieben. Drinnen standen zwei Worte: Dummer Stachanow.

Und das nur, weil ich ihren Wackelzahn rausreißen wollte, der aber noch nicht so weit ist, und sie sich beim dritten Anlauf weigerte, den Mund aufzumachen und ich sie deswegen angebrüllt habe.

Dummer Stachanow. Kinder können grausam sein, wenn sie die Wahrheit sagen.

Aber inzwischen sind wir wieder Freunde. Und den Zahn reiße ich heute abend.

Dienstag, 25. Oktober 2005

WTG

WTG steht im an bayerischen Grundschulen gepflegten Pädagogenjargon für "Werken, textiles Gestalten." Koedukativ natürlich, sodass auch die Mädchen zum Hammer greifen dürfen und die Jungs zur Sticknadel. Momentan übt sich die Klasse 3 a meines Sohnes (8) am Kreuzstich und erprobt bildliche Darstellungen. Die Mädchen sticken zumeist Blümchen, die Buben Tiere, berichtet mein Sohn. Er hat sich für das Bildmotiv einer Tresortüre entschieden.

Ich möchte nicht wissen, was seine Lehrerin von uns hält.

Samstag, 22. Oktober 2005

Federweißer vertreibt den Blues

Gerade kommen wir von einem Ausflug nach Hause. Wir waren in Bad Windsheim im Freilandmuseum. Dort stehen uralte, schief gewehte Bauernhäuser aus ganz Franken. An ihrem alten Standort ließ man sie verfallen, deshalb werden die Häuser demontiert und in Bad Windsheim wieder aufgestellt.

Wir fahren mit den Kindern mindestens einmal im Jahr ins Freilandmuseum. Ich staune jedes Mal, dass bis ins späte 19. Jahrhundert die meisten Feuerstellen in den Häusern einen offenen Kamin hatten. Der Rauch läuft von der Feuerstelle über eine Rinne an der Zimmerdecke zum Abzug. In den Häusern stinkt es erbärmlich nach Rauch.

Besonders demprimiert mich die Kate eines Kleinbauern aus dem 19. Jahrhundert. Dort steht in der ungeheizten Schlafkammer des Bauernehepaares, direkt unterm Dach, eine Kinderwiege. Das Dach hat keine Isolierung. Das einige, das Innenraum und Außenluft trennt, sind anderthalb Zentimeter Ziegel. Ich denke an die Neugeborenen in der Wiege, an 20 Grad minus im Winter, an Kindersterblichkeit und bin traurig.

Die Inneneinrichtung der Häuser im Museum variiert. Manche Häuser sind nachgebautes Mittelalter, andere stilecht 60er Jahre des 20. Jahrhundert. Ich kenne solche Stuben noch aus meiner Kindheit vom Milchholen beim Gumperbauern. Daran erinnert zu werden, dass ich einer Zeit angehöre, die andere für museal halten, ist nicht einfach. Vor allem nicht in dem Moment, in dem ich an Kindersterblichkeit denke. Mich macht das Museum immer traurig - aber meinen Kindern gefällts dort. Deshalb fahren wir hin.

Aber jetzt bin ich wieder lustig. Auf dem Heimweg kamen wir durch den Weinort Ipsheim. Die Weine von dort sind bis auf wenige Ausnahmen schlimme Frankenplörre. Aber es gibt diese Ausnahmen. Und Federweißen. Der hat jetzt, im späten Oktober, eine ziemliche Wucht.

Zwei Gläser des Weißen haben den Blues vertrieben.

Montag, 26. September 2005

Grüner Gehörgang

Meine Tochter (6) hat sich gestern einen dicken Filzer ins Ohr gesteckt und sich damit den Gehörgang sattgrün angemalt.

Mittwoch, 14. September 2005

Achselschweiß im Gottesdienst

Gestern war Einschulung in Bayern. Meine Tochter ist jetzt ein Schulkind. Sie ist vor Stolz und vor Aufregung schier geplatzt. Wie es sich in Bayern gehört, begann die Schule mit einem Gottesdienst, auch im protestantischen Mittelfranken. Obwohl niemand in meiner Familie in der Kirche ist und wir auch nicht glauben, wollte ich meine Tochter nicht schon in der ersten Minute ihrer Schulzeit ausbesondern. Deshalb ließen wir den Gottesdienst über uns ergehen.

Neben uns quetschte sich eine andere Familie in die Kirchenbank. Jünger als wir. Er sportlich gekleidet und leicht angefettet. Sie blond, groß, schlank, gut zurechtgemacht, schöne große Zähne, leicht pferdegesichtig, aber wirklich hübsch. Eigentlich sogar: sehr hübsch.

Nur wie sie roch. Oder besser: Wie sie stank. Nach richtig altem Achselschweiß, der in dichten Schwaden bei jeder ihrer Bewegungen herüberzog. Und, von der Hüfthose kommend, nach Arschwasser.

Ich weiß, es gibt wichtigere Fragen als die, warum sich eine junge Frau mit altem Achselschweiß und Arschwasser in die Kirche setzt. Merkel oder Schröder. Kirchhof oder nicht. New Orleans. Iran. Irak. Trotzdem: Was mag in einer Frau vorgehen, die sich derart gehen lässt?

Freitag, 26. August 2005

Italien

Morgen früh um zwei bricht Familie Stachanow nach Italien auf. Es warten 14 Tage an der Adria. Die Alpenquerung scheint wieder gefahrlos möglich. Stachanow freut sich auf einen Strandurlaub ohne Handy und Internet, dafür mit viel Wein, Weib und Gesang.

Wir werden in einer winzigen Hütte am Strand hausen und viel miteinander reden. Wenn die Kinder eingeschlafen sind, werden wir uns lieben. Untertags werden wir Muscheln sammeln, Strandburgen bauen, wir werden auf dem Markt Schinken und Salami kaufen. Mein Sohn wird heldenhaft weit hinausschwimmen, 50 Meter vielleicht. Meine Frau wird dem ruhig zusehen. Abends werden wir Kleckereis essen. Einmal wollen wir uns bei einem Venedig-Trip von Wucherern ein wenig abledern lassen. Sogar eine kleine Operation steht an, ich darf meiner Tochter einen Wackelzahn ziehen. Wir werden eine Delle mehr im Auto mit nach Hause bringen und miteinander eine gute Zeit haben.

Für Bekundungen des Neids nutzen Sie bitte die Kommentarfunktion. Arrivederci!

Donnerstag, 2. Juni 2005

Mama sieht schwarze Anzüge

Meine Eltern wollten gestern auf die Bundesgartenschau. Promt verirren sich die die beiden auf die transport logistic, die zeitgleich auf dem Messegelände München stattfindet.

O-Ton Mama Stachanowa: Mei Bua, da waren lauter hektische Arschlöcher in schwarzen Anzügen und mit Köfferle unterm Arm. Der eine, den wir nach dem Weg gefragt haben, hat furchtbar aus dem Maul gestunken!

Ich habe Mama nicht verraten, dass ich gestern auch auf der transport logistic war, hektisch im schwarzen Anzug, das Köfferle unterm Arm und aus dem Maul stinkend vor lauter Gelaber.

Freitag, 27. Mai 2005

Mein Sohn ist traurig

Gestern brach für meinen Sohn (8) die Welt zusammen. Er erfuhr ganz beiläufig aus einem Gespräch zwischen meiner Frau und mir, dass ich seinen Opa nicht leiden kann. Erst war er fassungslos, alles Blut ist aus ihm gewichen. Dann, von einer Sekunde auf die andere, hat er geheult, mich angeschrien, getobt. Dass mein Schwiegervater für mich ein schlimmer Mensch ist, hat meinen Sohn tief verletzt.

Ich hoffe, dass wir einen Weg finden, damit umzugehen. Und ich habe jetzt einen blassen Schimmer davon, wie es Scheidungskindern ergehen mag.

Mittwoch, 25. Mai 2005

Rom. Und der Feind in meinem Haus

Fünf Tage lang hüteten meine Schwiegereltern Haus, Kinder und Katze. Meine Katze wie meine Tochter wurden von meiner Schwiegermutter fünf Tage lang Mäuschen gerufen. Meine Tochter wurde bei jedem Tritt auf dem Fahrrad überwacht. Dabei hat die Oma immer "fall nicht runter" gerufen.

Mein Schwiegervater drängte sich bei Nachbars als Helfer auf, Wurzelstöcke entfernen. Und schlug sich dabei an einem zurückschnellenden Hebel eine dicke Beule an den blöden Kopf. Ja, genau. Bei diesen Nachbarn, bei denen ich mittels jahrelangem Ignorieren einen gewissen Modus vivendi herbeiführen konnte. Dann reparierte mein Schwiegervater meinen Rollladen. So, dass er jetzt als Bündel Plastikmüll im Schuppen liegt. Dafür durfte ich mir anhören, dass in meinem Haus (anders als in seiner Wohnung) die Rollläden ein billig verbauter Mist seien. Ich weiß jetzt, dank der Kommunikationsfreude meiner Schwiegermutter, dass der Dicke in der Gartenwirtschaft der Schwiegersohn vom Pächter ist und nicht der Sohn. Was mir immer schon egal war. Ich weiß jetzt, dass das Haus über die Straße unten, in dem vergangenes Jahr der Mann gestorben ist, hergerichtet wird um vermietet zu werden, weil der Sohn von dem Verstorbenen, der das Haus geerbt hat, den Preis, den ich für mein Haus bezahlt habe, nie und nimmer kriegt. Ich weiß jetzt, dass die schwangere Kindergärtnerin, die während unseres Urlaubs ihren Abschied in den Mutterschutz gab, meinen Sohn so mochte, weil er in seiner Kindergartenzeit angeblich ja "soo freundlich und soo nett, der netteste und liebste von allen" war. Quatsch. Mein Sohn war kein Engel dort, sondern ein ganz gewöhnlicher Bub.

Ich weiß jetzt alles von allem aus dem Dorf, das Geschissene und das Geseichte. Und die wissen dank meiner Schwiegereltern das Geschissene und das Geseichte von mir.

Wenn wir etwas aus Rom berichten wollen, dann fällt uns Schwiegermama ins Wort, weil sie dann nicht mehr im Mittelpunkt steht, und fängt an zu erzählen, wie sehr die Kinder es genossen hätten, wenn sie ihnen polnische Kinderlieder vorgesungen hat, lieber noch als die russischen Lieder mögen meine Kinder polnische, denn sie kann ja beide Sprachen.

Meine Kinder haben den Irrwitz der vergangenen Tage einschließlich polnischer und russischer Kinderlieder eigentlich gut weggesteckt, nur mein Sohn kaspert viel rum und muss den Wahnsinn zeitweise aus sich herausschreien. Leider bin ich erwachsen und darf das nicht. Ich muss mich freundlich bedanken fürs Haus und Kinder hüten. Nach dem Frühstück fahren sie ab. Jetzt rufen sie nach mir. Jaha, ich komm gleich runter!

Freitag, 6. Mai 2005

Avril Lavigne ist Suzie Quattro

Gestern, am Vatertag, beim Malern des neuen Zimmers meines Sohnes.

Stachanow: Das wird wunderschön, wenns raustrocknet.
Nadeshda Stachanowa: Ja, und dann hängt der wieder seine Tierposter auf.
Stachanow: Oder Suzie Quattro.
Nadeshda Stachanowa: Die heißt heute Avril Lavigne.
Stachanow: Alice Cooper ist Marylin Manson.
Nadeshda Stachanowa: Kim Wilde?
Stachanow: Ist Britney Spears.
Nadeshda Stachanowa: Nena ist Nena.
Stachanow: Ja. Das war überflüssig.
Nadeshda Stachanowa: Komm, jetzt reichts.
Stachanow: Okay, hören wir auf.

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