Freitag, 23. Juni 2006

In meiner A-Jugend

In meiner Jugend auf dem Dorf gab es nur Fußballer und Nicht-Fußballer. Natürlich war ich Fußballer. Aber kein guter. Meine Ballbeherrschung ließ zu wünschen übrig. Alles, was ich als nicht-technischer Linksaußen konnte: An der Mittellinie den Ball annehmen, den Ball innen oder außen am Verteidiger vorbeispitzeln, den Abwehrspieler dann mit meinem guten Antritt überlaufen, bis zur Grundlinie rennen und eine Flanke schlagen. War die präzise, hatte ich ein Tor vorbereitet. Denn in der Mitte stand Manni, der Mittelstürmer, und brauchte nur noch den Kopf hinzuhalten. Aber beileibe nicht jede Flanke kam an.

In der C-Jugend wurde ich deshalb dagradiert und in die zweite Mannschaft verwiesen. Mit 14 machte mein Körper einen Schub in die Länge und Breite, sodass ich in der B-Jugend in die erste Mannschaft durfte, wenn auch meist nur Ersatz für die zweite Halbzeit. Als ich mit 16 in die A-Jugend kam, war ich aber wieder einer der kleineren. Und es gab keine zweite A-Jugend, in die ich hätte verwiesen werden können. Und die A-Jugend wollte unbedingt aufsteigen, in die Bezirksliga.

Ich als Linksaußen wurde deshalb lange Zeit links liegen gelassen. Im wahrsten Wortsinn. Denn ich durfte immer meine Halbzeit lang auflaufen, das war halt so. Wer ins Training kam, hatte ein Anrecht darauf. Mitspielen aber durfte ich nicht wirklich. Okay, mir den Ball zu geben war riskant, ich verstolperte den Ball öfter als andere. Trotzdem: Meine Flankenläufe kamen mitunter durch, und weil ich viel übte, wurden meine Flanken immer präziser. Nur Manni, der Mittelstürmer, stand immer seltener auf seiner Anspielposition. Weil er den Ball von mir gar nicht mehr wollte. Ich überrannte den Gegner auf einer halben Fußballplatzlänge, und von meinen Mitspielern lief keiner mehr mit.

In meinem letzten Spiel wurde ich von meinen Mitspielern kein einziges Mal angespielt. Sogar mein Gegenspieler fragte, was los sei. Als es mir einmal gelang, ihm den Ball abzuluchsen und einen Pass auf Manni zu schlagen, ließ der den Ball absichtlich ins Aus laufen, dabei gestikulierend, der Pass wäre zu ungenau gewesen.

Ich habe dann den Verein gewechselt, bin zu einer unterklassigen Mannschaft im Nachbardorf gegangen. Dort sind allen die Bälle versprungen. Aber es hat Spaß gemacht. Und keiner hat die Realität auf dem Platz mit der Realität abseits des Platzes verwechselt.

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Booldog - 23. Jun, 10:00

Eine - leider! - schöne Metapher.

kranich05 - 24. Jun, 00:45

Stachanow, Du kannst schreiben.

Stachanow - 25. Jun, 20:12

Danke

Danke. Ja, schreiben habe ich gelernt, verdiene damit sogar mein Geld. Leider nur: Wenn ich für Geld schreibe, lässt man mich nicht so, wie ich kann.
Webcat72 - 25. Jun, 21:49

hab ich ein Höllenglück ...

... dass ich ne Frau bin und per se entschuldigt. Gestern hab ich gegen meinen Sohn 12:0 als ich Torwart war und 3:0 als er bei 15 Schuss Torwart war verloren bzw. gewonnen ... ich glaub ich wär schon lang aus dem Y-Klasse-Ortsteil-Fußballclub geflogen ..

p.s.: vielleicht sollte man gegen nen 6-jährigen auch nicht mehr in Rock und Sandalen antreten - o.k. seh ich ein :-))

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