Freitag, 11. März 2005

Frutiger, unterschnitten auf 82 Prozent

Ein heikler Kunde. Ein Kunde, der immer am fertigen Produkt herumkrittelt und Meilensteine ignoriert. Ein Kunde, der kein Vorstellungsvermögen hat, wie ein Sprechertext einer Flash-Präsi später eingesprochen wirkt, deshalb das Manuskript durchwinkt und auch den eingesprochenen Text. Und später Textänderungen in der fertigen Präsentation vorbringt und sich nicht nur wundert, weshalb das Geld kostet, sondern nur einen Bruchteil der Mehrkosten akzeptiert, den Text von einer Sprecherin einsingen zu lassen und dann die 25 Bildspuren mit der neuen Tonspur zu synchronisieren.

Und jetzt kommts: Bei einer nicht ganz unwichtigen Druckschrift wird mein Text für eine reine Textseite ohne Not anderthalb Mal so lang hochkorrigiert.

Held der Arbeit: "Dann spendieren wir dem Part halt eine Doppelseite, bei 56 Seiten Gesamtumfang müsste das eigentlich drin sein."

Kunde: "Nein, wir machen die Buchstaben kleiner."

Held der Arbeit: "Das geht nicht."

Kunde: "Doch, im Word geht das."

Held der Arbeit: "Das geht auch im Quark, aber das sieht schlimm aus."

Kunde: "Das überlassen Sie besser mal uns."

Held der Arbeit: "Okay, dann unterscheiden wir die Frutiger und Sie werden schon sehen, wie scheiße das aussieht."

Gesagt, getan. Frutiger auf 82 Prozent der Laufweite gesetzt. Passt rein. Sieht himmelschreiend aus.

Kunde: "Na also, geht doch rein! Dass sich diese Künstler-Typen immer so anstellen müssen."

Jede Agentur hat die Kunden, die sie verdient. Mein Gott, was habe ich für einen Scheiß-Laden.

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laureen - 11. Mär, 13:35

*lach

Ja, das kommt mir sehr bekannt vor.
Ob 82 Prozent Laufweite und mal 130 Prozent, ganz egal, paßt rein. Der Kunde ist glücklich.
Und es gibt ja so tolle Compis bei Aldi und Co., damit lässt sich alles machen. Und das kriegt ihr Grafiker mit euren MACs und eurem elend teuren Quark nicht hin?

Aber welch ein Fortschritt: Der Kunde hat mit Word verglichen.
Der neue Trend ist Excel.

Liebe Grüße von
Laureen

Stachanow - 11. Mär, 14:54

Ich kenn auch Kollegen, die kalkulieren mit FreeHand.
laureen - 12. Mär, 11:52

Wenn die ihre Steuererklärung dann mit Adobe Illustrator machen, hat das schon wieder was... ;-)

Liebe Grüße von
Laureen
Titania Carthaga - 13. Mär, 00:22

muss noch schallender lachen.... hey... wie hab ichs vermisst, hier reinzuschauen!
pathologe - 11. Mär, 13:55

Aus meiner Studizeit...

...kenn ich das auch. Aber nicht so extrem. Da war die Hausschrift eine 10% schmalere Palatino. Ging eigentlich ganz gut. Aber 18%? Und bei einer Frutiger, die eh schon von sich aus nicht gerade der Augenspringer ist?
Was denken denn da die Fachkollegen? Coel Draw, in Pfade konvertiert und gnadenlos zusammengepfercht? Gibt's ein Belegexemplar?

Und irgendwann wurde aus der Palatino dann eine Rotis Sans Serif. Das war deren Boom-Zeit. Ich konnte sie einfach nicht mehr sehen.

Kommen die Kunden immer noch mit ihren Word-Dokumenten, nicht farbgetrennte Bilder drin, und wundern sich bei der Belichtung, dass der Umbruch komplett anders läuft und die Bilder in Graustufen da sind?

Was macht eigentlich der Kunde, wobei Du ihm fachfremd und unqualifiziert reinreden könntest?

Stachanow - 11. Mär, 14:46

Das ist ja das Schlimme, die machen in durchaus modischen Artikeln.
C. Araxe - 11. Mär, 15:45

Mein Beileid!

Als ich die Headline Ihres Eintrags las, durchzuckte mich gleich eine Schmerzwelle.

Waldorff - 11. Mär, 17:13

Literarisch

"Dieser Mensch war eine einzige Pleite.
Aber er war ein Klient."


Charles Bukowski, Ausgeträumt

Stachanow - 12. Mär, 13:51

Ja, der gute alte Charles hatte es drauf. Am besten kamen seine "Notes of a Dirty Old Man" zu der geklauten Flasche Vecchia Romagna auf der Piazza del Campo in Siena. Irgendein Ami-Touri hatte das Paperback liegen lassen. Ein junger Mensch aus Krefeld oder Neuß, der mir zwischen all den Kulturbesoffenen richtig besoffen übern Weg lief und deshalb sofort gefiel, hob es auf und wir lasen es uns vor, die Four-Letter-Words erratend. Ach, die 80er.

Übrigens: Es gibt in Deutschland eine Bukowski-Gesellschaft! Hier der Link: http://www.bukowski-gesellschaft.de

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