Arbeit

Montag, 29. Mai 2006

Halbtagssekretärin

Heute Vorstellungsgespräche. Zwei Halbtagssekretärinenn in der engeren Wahl. Die eine gut vorbereitet, gescheit, frech, sicher nicht konfliktscheu, selbstbewusst bei der Gehaltsforderung, auch bestimmt nicht einfach im Umgang. Die andere umgänglich, "teamfähig", wie es heißt, bestimmt bienenfleißig.

Ich glaube, meine Wahl ist gefallen.

Dresscode

Heute kommt mein Kollege M. mit messerscharf gebügelter Anzughose ins Geschäft, oben herum aber im Flanellhemd, Marke Holzfäller, das Schuhwerk voller Farbkleckse. Hintergrund der lustigen Zusammenstellung: Kollege M. renoviert sein Haus, das Outfit war das letzte greifbare.

Was bin ich froh um diese kleinen Freiheiten.

Morgen besuche ich einen Kunden mit dem Motorrad, in Leder-Gummi-Latex.

Mittwoch, 24. Mai 2006

Frau S. ist Deutschland

Die vorige Putzfrau lebt offenbar in runden Räumen, denn die Ecken des Büros hat sie grundsätzlich ignoriert. Wir haben sie immer wieder darauf angesprochen, mit Engelszungen. Irgendwann hat mein Kompagnon dann die Sekretärin einen Putzplan erstellen lassen. Daraufhin hat die Putze gekündigt.

Wir suchen also eine neue, auf Mini-Job-Basis, per Aushang in der Bäckerei nebenan. Innerhalb einer Stunde ruft die erste Bewerberin an. Junge Stimme, sächselt. Sie kommt am nächsten Tag vorbei zum Vorstellen. Wirkt zerbrechlich, ist so jung wie ihre Stimme. Stellt sich vor mit: "Ich bin Frau S.".

Frau S. sich extra schick gemacht, trägt irgendein abgeschabtes Festtagskostüm mit Pailetten. Sie nestelt aufgeregt an den Ärmeln. Sie schaut sich um, ich sage "zehn Euro die Stunde", sie sagt ja.

Am selben Abend noch kommt sie zur Putz-Premiere. Um 20 Uhr. Im Schlepptau ihre dreijährige Tochter, die Große. Die Kleine sei daheim beim Vater. Die große Dreijährige hat ein Malbuch dabei. Und einer Decke unterm Arm. Frau S. ist es sichtlich peinlich, mich noch anzutreffen. Schüchtern fragt sie, ob das Kind auf dem Sofa liegen dürfe. Welche Frage, klar darf es das. Ich unterhalte mich mit dem Mädchen, zwinkere ihm zu und sage Sachen, die man halt in dem Moment sagt: "Wie heißt du? Gehst du in den Kindergarten?" und so. Das Mädchen hat hörbar Sprachstörungen. Meine Kinder sind sechs und neun. Sie liegen abends um acht Uhr im Bett und nicht auf Bürosofas.

Meine Kinder haben keine Sprachstörungen.

Die Mutter fragt nach, wie sie Putzmittel einkaufen soll, wenn welche ausgehen. Ich zeige ihr die Kasse und den Schlüssel dazu. Sie ist verschüchtert. "Ich, den Kassenschlüssel", fragt sie mehrfach im Tonfall von "Und führe mich nicht in Versuchung". Ich merke, sie hält das Ganze für einen Test. "In der Kasse sind selten mehr als ein paar Hunderter", sage ich. "Ein paar Hundert", murmelt sie und ich merke, dass ich gerade von ihrem monatlichen Familieneinkommen rede.

Ich verabschiede mich. Anderntags ist das Büro wie ausgeschleckt, die Frau muss bis spät in die Nacht geputzt haben. Wie blöd. Auf dem Schreibtisch im Empfangssekretariat liegt ihr Stundenzettel. Viereinhalb Stunden stehen drauf. Und "Danke für die Arbeit."

Und ich? Ich habe alles richtig gemacht und dabei ein schlechtes Gewissen.

Samstag, 13. Mai 2006

Syphilitische Hure

Ich arbeite gerade an einem Großprojekt, Firmenchronik, mal wieder. Den Mittwochabend bis in die späte Nacht brachte ich damit zu, Änderungen einzuhacken, die mir von meinen Auftraggebern, Leuten mit viel Geld, begrenzter sozialer Intelligenz und einem restringierten Code, aufoktroyiert wurden. Selbst wenn meine Anonymität fiele und die Betroffenen den letzten Satz lesen könnten, bliebe ich doch in Sicherheit. Meine Auftraggeber verstünden das Geschriebene nicht.

Alle Änderungen meiner Kunden zielen darauf ab, jedes halbwegs lebendige Wort durch ein langweiliges zu ersetzen und jede halbwegs kritische Auseinandersetzung mit der eigenen Vergangenheit im Keim zu ersticken. Im Konzept sah das noch etwas anders aus. Deshalb macht mich jede Änderung reicher, weil jede Änderung, die gegen das Konzept geht, nicht im Pauschalpreis enthalten ist.

Trotzdem: Seither träume ich jede Nacht davon, dass eine syphilitische Hure ein Kind zerstückelt. Man braucht nicht der alte Sigi Freud zu sein, um das zu entschlüsseln.

Warum mir das so nahe geht, wenn dumme Menschen meine Arbeit zunichte machen?

Eine Rede, einen Zeitungsartikel schreibe ich runter, was drin steht ist mir innerlich einerlei. Einige Stunden Arbeit, ein paar Hunderter, fertig. Aber an dem Job arbeite ich seit 450 Stunden, habe 40 Interviews mit zum Teil hochinteressanten Menschen geführt. Alles für die Katz. (So was würden sie wieder rausstreichen - für die Katz, das sagt man doch nicht!)

Bin ich ein Sensibelchen? Klar bin ich das. Aber wenn ich das nicht wäre, könnte ich erstens meinen Job aufgeben und zweitens wäre mein Leben arm. So arm wie deren Leben, trotz des Geldes.

Samstag, 6. Mai 2006

Es ist Nacht, Senorita

Es wird Nacht, Senorita,
und ich hab kein Quartier.
Nimm mich mit in dein Häuschen
ich will gar nichts von dir
Etwas Ruhe, vielleicht
ich bin müde vom Wandern ...

Scheiß Job. 5 Millionen Arbeitslose, und ich steuere schnurstracks auf den Karoshi zu.

Freitag, 5. Mai 2006

Ausnahmsweise positiv

Ausnahmsweise heute einmal etwas Positives aus der Arbeit. Ein wirklich guter Kunde und Freund, der dieses Blog regelmäßig und recht amüsiert verfolgt, ruft an, um mich nach den hier veröffentlichten Tiefschlägen dieser Woche zu trösten.

Danke, lieber Mr. T., danke!

Die Geschichte zum Product Launch, mit besonders viel Herzblut geschrieben, kommt heute noch über die Leitung.

Gruß
Stachanow, Held der Arbeit.

Dienstag, 2. Mai 2006

Lorem ipsum

Und dann gibt es andere, die geben mir heute Blindtext frei zum Druck, ohne Änderung:

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Als ich dann nachfrage, heißt es: Ach ja das, hab ich nicht verstanden.

Soso

Ich bin Dein Ghostwriter. Du hast mich engagiert, weil Du keine Zeit hast und weil Du Dich nicht gescheit ausdrücken kannst.

Jetzt kommst Du zu mir und klagst, so hättest Du das nie gesagt.

Natürlich hast Du das so nie gesagt. Weil Du nicht fähig bist, es so zu sagen.

Am liebsten würde ich Dir das so sagen. Aber dann wäre ich bald der Held der Arbeitslosen.

Freitag, 28. April 2006

Hals voll

Wenn man sich mit den verkehrten Leuten im Kundenkreise duzt, kommen solche Mails an:

Lieber Stachanow, was hälst Du davon ...

Da hab ich den Hals voll. Oder ich rede mich um Kopf und Kragen. Oder verlasse Hals über Kopf meinen Laden und werde Kneipier.

Mittwoch, 26. April 2006

Rechnungen schreiben

Der April neigt sich dem Ende zu. Das heißt immer: Stunden und Sachkosten auflisten, Projektstände dokumentieren, Rechnungen schreiben. Jeden Monat einmal lasse ich revuepassieren, was mein PR-Laden in den vergangenen vier Wochen alles geleistet hat. Fast ein ganzer Arbeitstag geht dafür drauf, dann haben sich gute Ideen, aber auch Banalitäten und mediokre Umsetzungen in Zählbares verwandelt. Ob gut oder schlecht, ob gelungen oder verunglückt, das lässt sich an der Höhe der Summe meist nicht mehr ablesen, die 30 Tage später auf dem Konto gutgeschrieben wird.

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