Arbeit

Donnerstag, 13. Juli 2006

Fragen einreichen bei AnjaTanja

Ich will etwas wissen. Schnell. Eine Detailfrage.
Ich rufe jemanden an. Einen Experten. Zumindest entnehme ich das dem im üblichen Business-Code verklausulierten Titel auf seiner Visitenkarte.
Er ist nicht da.
Seine AnjaTanja will wissen, was ich ihren Chef fragen will, damit er sich vorbereiten kann.
Ich sage, ich habe eine Detailfrage und stelle sie.
AnjaTanja sagt ohwe. Dann sagt sie, sie wolle mir vorab Unterlagen zumailen.
Stunden später kommt die Mail.
Powerpoint. Viel Powerpoint. Business Process Management. Buzzwords.
Die Antwort auf meine Frage finde ich darin nicht.
Den Chef kann ich immer noch nicht erreichen.
AnjaTanja wird beim dritten Anruf schmallippig.

Wie weit ist es gekommen mit dem Management? Offenbar haben diese Idioten es verlernt, eine ihr direktes Arbeitsgebiet betreffende Frage aus dem Stegreif beantworten zu können. Anders kann ich mir das nicht erklären.

Heilige Scheiße, wenn mich heute einer anruft und was wissen will, wie irgendwas in meinem PR-Job funktioniert, brauche ich doch auch keinen kilometerlangen Anlauf. Verstehen meine "Ansprechpartner" (was für ein ekelhaft hässliches Wort, dieses "Ansprechpartner"!) so wenig von Ihrem Job?

Montag, 10. Juli 2006

Freakshow

Ich bin ein bescheidener Mann, sagt der Industrielle mit seiner dröhnenden Stimme. Er lehnt sich zurück, das Leder knarzt unter seinem Arsch.

Dann, im Flüsterton: Das müssen Sie wissen, wenn Sie über mich schreiben wollen, das müssen Sie wissen und verstehen. Sie müssen wissen: Ich rede mit jedem. Haben Sie den Hilfsarbeiter gesehen, der da draußen den Boden verlegt, im neuen Büro? Ich habe heute schon mit ihm geredet. Ich rede mit jedem, ja, der Klaus Kattler, der redet mit jedem. Mit Ihnen, mit dem Hilfsarbeiter, mit jedem. Wenn der Hilfsarbeiter heute abend zu seiner Frau geht, wird er sagen: Der Herr Kattler hat heute mit mir geredet. Er wird seiner Frau sagen: Der Herr Kattler hat mich gefragt, wie es mir geht. Was glauben Sie, wie stolz der heute ist, dass ich mich erkundigt habe, wie es ihm geht? So bin ich. Wenn ich nicht so wäre, wäre ich nicht der Kattler Klaus. Ich interessiere mich für alles. Wie geht es Ihnen? Haben Sie Frau, haben Sie Kinder? Familie, ja, das ist wichtig. Familie. Wissen Sie, mich interessiert, welchen Hintergrund die Menschen haben, die für mich arbeiten. Die Frauen sind wichtig. Wenn eine Frau im Hintergrund nicht will, dann wird das nichts. Wissen Sie, wenn ich mit den Menschen rede, dann tue ich eigentlich etwas ganz anderes. Ich höre zu. Ich lese aus ihnen heraus, was sie denken. Das muss man. Was Sie im Moment denken, sagen Sie es mir? Sie möchten es nicht sagen? Aha, Sie wollen mich mit meinen Facetten kennen lernen. Facetten sind gut, aber: Es geht nicht um die Facetten, es geht um das Ganze. Es geht um Werte. Nicht um Facetten. Ich sage Ihnen jetzt, um welche Werte es geht: Wissen Sie, wenn ich in einen Raum komme, dann mögen mich die Menschen, ganz automatisch. Warum? Weil ich die Menschen mag. Und das spüren die Menschen. Sie werden sehen, dass Sie mich mögen. Weil ich Ihnen diene. Es ist schwer, den Menschen zu dienen, wenn man sie nicht mag. Ich will wissen, wer Sie sind, und wenn ich mit Ihnen beschäftige, vorurteilsfrei beschäftige, stellt sich automatisch Sympathie ein. Ich mag Sie, und nichts ist leichter, als Ihnen zu dienen. Sagen Sie mir, womit ich Ihnen dienen kann? Ich mag die Menschen in meinen Fabriken, ich mag ihnen dienen. Sie wissen: Der Kattler Klaus ist mein Chef, und er dient mir. Jeder weiß das, weil das jeder merkt. Auch im Vereinsleben. Wissen Sie: Ich bin Ehrenmitglied in zwölf Vereinen. Ich gehe auf jede Veranstaltung. Das kostet Zeit. Aber ich gehe hin. Und die Menschen sagen dann: Der Kattler Klaus war auch da. Wissen Sie, ich gehe auch in die Kirche, jeden Sonntag. Wenn ich eine Firma kaufe, und ich kaufe jedes Jahr eine oder zwei, wissen Sie, wo ich da hingehe, wenn ich etwas wissen muss? Ich gehe zum Herrn Pfarrer. Der weiß alles, und weiß es genauer als der Bürgermeister, der Landrat, als alle. Ich gehe zum Pfarrer und sage: Hochwürden, ich habe gesündigt. Ich will ein besserer Mensch sein, aber das Fleisch ist schwach. Erst wenn ich beim Herrn Pfarrer meine Seele gereinigt habe, spreche ich von Geschäften. Und er wird mir alles sagen, was ich wissen muss. Der Kattler Klaus versteht etwas von Geschäften, das glauben Sie mir. Sie waren Messdiener, gell? Das merkt man Ihnen an.

Mittwoch, 5. Juli 2006

Deutschlandfahne

Auf dem Heimweg vom Geschäftstermin in Berlin, siehe auch unten, kam ich auf der A 70 an einem Unfall vorbei. Ein deutschlandfahnenbestückter Kleinwagen war voll in die Leitplanke gerauscht, vorne fehlte am Auto alles bis zur Fahrgastzelle. Die Insassen waren schon weg, nur die Polizei hat noch gekreidet und vermessen. Verlassen stand es auf dem Standstreifen, das Wrack, und die Deutschlandwimpel flatterten lustig im Wind.

Freitag, 23. Juni 2006

Ausgebootet

Gestern ruft ein Kunde an, den ich gemeinsam mit einem befreundeten, selbständigen PR-Berater E. betreue. Die Aufgabenteilung: E. macht das Konzeptionelle und, weil er nah am Kunden sitzt, auch das Zurufgeschäft. Wir als Agentur übernehmen die Redaktion und Herstellung eines nicht zeitkritischen Periodikums, wobei E. als Organisator, Ideengeber und Korrektiv mitwirkt, für ein eher kleines Salär. An den Job bin ich allein über E. gekommen. Ich bot ihm eine Provision an, er wollte keine.

Wie gesagt, der Kunde ruft nun an und fragt: "SagnSe mal, Stachanow, ich frage mich die ganze Zeit, nachdem das Projekt so gut läuft, ob wir den E. darin überhaupt noch brauchen. Das ist doch unnötig, dass wir das über seine Bande spielen, oder?"

Ich eiere rum, rede von E. als Organisator, Ideengeber und Korrektiv und uns als Umsetzer. Der Kunde sagt: "Aber das Konzept steht doch jetzt und der Workflow auch, und Sie sind doch in der Lage, das Projekt umzusetzen. Oder verstehe ich das falsch?" Natürlich, antworte ich, natürlich kann ich das Projekt umsetzen. "Dann passt es ja und wir werden E. anderweitig einsetzen", schließt der Kunde.

Hoffentlich ist das mit dem "anderweitig einsetzen" nicht das, was ich befürchte. Der Euphemismus für "ausgebootet werden". Und ich darf jetzt das Gespräch meinem Freund beichten.

Mittwoch, 21. Juni 2006

Alleinstellungsmerkmale

"Innovation": 698.000.000 Google-Hits
"Effizienz": 7.800.000 Google-Hits
"State of the art": 4.000.000 Google-Hits (Seiten auf Deutsch)
"Innovativ": 3.910.000 Google-Hits
"Innovationskraft": 1.010.000 Google-Hits
"Spart Zeit und Geld": 123.000 Google-Hits
"Sparen Zeit und Geld": 51.000 Google-Hits

Wer den anderen alles nachplappert, braucht sich nicht zu wundern, wenn er ununterscheidbar wird.

Kundenorientierung

Bei uns steht der Kunde im Mittelpunkt.
Und damit immer im Weg.

Wie schnell sich doch Worthülsen durch Subtexte entlarven lassen.

Montag, 19. Juni 2006

600 Zeichen

Vor einer Woche klingelt das Telefon. Am Apparat eine Frau H. Sie will ein Praktikum. Ich frage das Übliche ab. Sie hat was Geisteswissenschaftliches studiert, bei der Regionalzeitung und Dudelfunkern hospitiert. Frau H. klingt unsicher, ich versuche, ihr die Nervosität zu nehmen. Ich will sie auch, denn ihr Anruf kommt just zur rechten Zeit, gerade läuft ein größeres Online-PR-Projekt. Deshalb zeige ich mich freundlich. Nur will ich wissen, ob Frau H. schreiben und dabei auf den Punkt kommen kann. Deshalb bitte ich sie, mir geschwind in 600 Zeichen zu mailen, was Sie sich von dem Praktikum erwartet und erhofft. Bis heute kam nichts.

Dieser Beitrag hatte bisher 640 Zeichen mit Leerzeichen, ohne waren es 538. Manche Karrieren bleiben früh an niedrigen Hürden hängen.

Mittwoch, 14. Juni 2006

Zwischen 33 und 45 klafft ein Loch

Wir sind bei einer neuen Firmenchronik Subunternehmer einer Grafikagentur. Kleinlaut ruft deren Chef, ein Freund von mir, an und sagt: "Der Kunde sagt, in seiner Firmenchronik findet 33 bis 45 nicht statt - jedenfalls nicht so, wie Du das schreibst. Das mit den Trümmerfrauen aber hat dem Kunden gut gefallen."

Ich will den Bettel hinschmeißen, fühle mich aber meinem Freund verpflichtet.

Dilemma.

Da kommt mein Kollege daher. Gebürtiger Tscheche, nennen wir ihn Schwejk. Er sagt: "Lass gut sein, Stachanow, ich schreib das um. Und zwar so, dass das Loch in der Geschichte mehr über den Herausgeber sagt als alle Deine Worte."

Ich freue mich auf sein Loch.

Freitag, 2. Juni 2006

Bundesnetzagentur

Die Bundesnetzagentur schreibt soeben per E-Mail einen meiner Kunden an und fordert ihn auf, an einer Erhebung zum Thema Schienengüterverkehr teilzunehmen und sensible Unternehmensdaten einzureichen. Mit dem üblichen: "Wir sind der Staat und wehe, du kommst deiner Auskunftsverpflichtung nicht nach, dann aber ..."

Was der eigentliche Hammer ist: Die Bundesnetzagentur hat in der Mail sämtliche Empfängeradressen offengelegt. Mindestens 200 Stück.

Neudeutsch

Bekomme gerade einen Job vom Lektor zurück.

Ich schreibe:

"Sie beschließen, etwas neues, etwas anderes zu machen."

Lektor sagt:

"Sie beschließen, etwas Nneues, etwas anderes zu machen."

Etwas Neues wird groß, etwas anderes bleibt klein. Neue deutsche Rechtschreibung. Dass ich nicht lache.

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