Freitag, 26. Januar 2007

Selbstkritik

Als bester aller Autofahrer (siehe Beitrag unten) wurmt es mich natürlich sehr, dass ich beim Wintereinbruch am vergangenen Dienstag derjenige war, der am Fuße der leichten Steigung am Xxxxxx-Berg an der Ampel nicht loskam. Es dauerte drei Tage, ehe ich mein Versagen vor mir und vor Euch, meine lieben Leser, eingestehen kann.

Selbst die Hecktriebler vor mir schafften das Anfahren offensichtlich problemlos. Mein mit Winterreifen ausgestatteter Fronttriebler hingegen setzte sich erst in Bewegung, als die Ampel wieder rot war, obwohl ich mit Minimalgas anfuhr. Als sich die Reifen im ersten Gang nur durchdrehten, versuchte ich es ebenso erfolglos im Zweiten. Los fuhr das Auto erst, als ich, nun mit aufheulendem Motor dreiveiertelgasgebend, den Schnee bis zur Asphaltschicht abgeraspelt hatte.

Wie peinlich. Ich muss sogar das Mitleid der hinter mir Fahrenden erregt haben, denn ich wurde während meiner hektischen Bemühungen nicht einmal angehupt.

Freitag, 19. Januar 2007

Fehlleistungsgesellschaft

Gestern, während Kyrill tobte, war ich mit dem Auto in Frankfurt, geschäftlich. Ich hätte nicht vermutet, dass so viele Menschen so zivilisationsversaut sind und die elementare Kraft der Natur nicht mehr einzuschätzen wissen.

Auf der Anfahrt, gegen Mittag, hörte ich Verkehrsfunk. Die Menschen im Formatradio zeigten großes Vergnügen daran, endlich mal wieder dramatisieren zu dürfen, und durften bald schon ihren ersten Toten melden. Auf der Autobahn tanzten die LKW auf der rechten Spur im Sturm. Was die PKW-Fahrer, insbesondere die in "neutralen" Firmenwagen, nicht daran hinderte, mit einem Affenzahn zu überholen. Schließlich darf der LKW ja nicht über die Fahrbahnmarkierung drüber, sagt die Straßenverkehrsordnung, der sich gefälligst auch Kyrille und andere Kanacken unterzuordnen haben. Und außerdem muss der in der Virtualität seiner Welt (in der es keine unstürzende Bäume gibt) lebende IT-Fatzke aus München ja rechtzeitig zu seinem Meeting. Ich fuhr keine hundert und hatte wegen des Wetters eine Stunde mehr einkalkuliert. Deshalb kam eine halbe Stunde vor meinem Termin an, sodass ich mir noch in einer Frittenbude den Magen vollschlagen und in einem Supermarkt einen Meter Zahnseide besorgen konnte, um mir die Rindswoschd wieder aus den Zahnzwischenräumen zu pulen, ehe ich meine Buzzwords abspulen und "Issues an meine fokussierte Zielgruppe kommunizieren" durfte.

Auf dem Heimweg hatte der Sturm um einiges zugelegt. Auf den Höhen des Spessart flogen die Äste nur so über die Autobahn. Das jedoch konnte weder die Außendienstbeauftragten in ihren Passats noch die Kurierfahrer in ihren Sprintern beeindrucken oder gar veranlassen, den Fuß vom Gaspedal zu nehmen.

Was mich sehr erstaunte: Es krachte erst auf Höhe Würzburg.

Die Polizei war schon da und hatte Schilder aufgestellt. Dennoch mussten die Vertriebsbeauftragten mit den Kurierfahrern noch bis zur Staustelle Rennen herausfahren, um dort mit zupackendem ABS zu bremsen. Dann kroch der Verkehr weiter. Ich ließ einen LKW von der rechten auf meine mittlere Spur einscheren, was den Fahrer eines Wagens mit dem Kennzeichen BN für Bonn und DT für D*eutsche T*elekom dazu veranlasste, mich mit Dauerhupe und einem Lichthupenfeuerwerk einzudecken.

Beim nächsten Stillstand stieg ich deshalb aus dem Wagen und ging zu dem Menschen hinter mir, der sich sogleich zentralverriegelte. Ich fragte den Herrn durch die Seitenscheibe, die er einen Spalt weit geöffnet hatte, ob er glücklicher wäre, wenn er vor dem LKW im Stau stünde und wie viel Vorsprung er dann hätte und ob es notwendig sei, mich wegen eines nicht vorhandenen Zeitvorteils zu belästigen. Dann bat ich den Herrn, das Hupen und Lichthupen fürderhin zu unterlassen. Anderenfalls würde ich mit meinem Wagenheber seine Windschutzscheibe ein- und sogleich seine Schneidezähne ausschlagen. Dies veranlasste den Menschen, offenbar meine Autonummer in einen kleines elektronisches Gerät einzutippen. Ich beschied ihm, dass ich mich auf die Anzeige freuen würde, weil ich dann über meine Kontakte zu den Behörden seine Adresse herausfände und ihm halt vor seiner Haustüre die Schneidezähne einschlagen würde. Anschließend setzte ich mich zurück in mein Auto, hörte Pink Floyd (Shine on you crazy diamond), sang mit und ließ weitere drei LKW vor mir rein, ohne dass der Angestellte eines Bonner Telefonunternehmens einen Mucks von sich gab. Einschüchterung funktioniert eben doch.

In Rottendorf ging ich von der verstopften Autobahn runter und schlug mich auf die B8. Die Idee hatten mehrere. Ich passierte noch zwei Unfallstellen und freute mich, am Straßenrand keine Toten, sondern nur blöde Gesichter der Vertriebsbeauftragten zu sehen, die vom Sturm durchgeblasen darauf warten mussten, dass ihre neutralen Firmenschrotthaufen abgeholt werden würden. Ihre Krawatten flatterten lustig im Wind.

Irgendwann war ich daheim. Ich wünsche mir noch viele Stürme, sozusagen als darwinsche Selektionsmechanismen. Vielleicht gelingt es den Auswirkungen des Klimawandels, die Deppen aus der Welt zu blasen.

Mittwoch, 27. Dezember 2006

Sophia Loren mit Achselhaaren

Zu Weihnachten habe ich mit der Familie "Hausboot" geguckt im Fernsehen. Das war sehr schön. Dabei fiel mir ein, dass ich einmal ein Bild der sehr jungen Sophia Loren gesehen habe, etwas Pin-upiges. Ob mit blankem Busen oder nicht - das kann ich nicht mehr mit Bestimmtheit sagen. Aber woran ich mich genau erinnere: Es ist eine bukolische Szenerie, in der die Loren etwas auf dem Kopf balanciert und dabei Achselhaar zeigt. NEIN! Ganz und gar nicht so wie die DDR-Sportlerinnen früher oder, noch schlimmer, Nena in den 80ern! Sondern sehr apart und sexy. Ich habe das Bild schon gegugelt, leider vergeblich.

Falls einer von Euch meine sexuellen Abartigkeiten teilt und weiß, wo es das Bild gibt, soll er mir hier einen Kommentar hinterlassen.

[Edit] Das Bild gibt es hier. Und sie ist nicht barbusig.

Samstag, 23. Dezember 2006

Mein Vater und der Truthahn

Die Geschichte hat sich 1971 zugetragen. Ich weiß es genau, ich war sechs und schon in der Schule, und es war das letzte Weihnachten, das wir in Idorf gefeiert haben. Im Jahr darauf sind wir umgezogen nach Sdorf, zwei Kilometer weiter, und ich galt als Reingschmeckter, wie man die Zugereisten bei uns heißt. Aber egal. Die Geschichte, die ich Euch erzähle, spielt also 1971 und ist wahr, so wahr, wie man Geschichten konservieren kann, wenn man sie als Sechsjähriger erlebt.

Ich war sechs, mein Bruder ein Dreivierteljahr alt. Meine Mutter musste daheim bleiben aus der Fabrik, seit mein Bruder auf der Welt war und ich begann zu merken, dass wir nicht reich waren. Sondern in einem feuchten Loch wohnten, mit verschimmelten Wänden, und dass im Winter der Holzofen in der Küche und der Ölofen im Wohnzimmer nicht reichten, die Bude zu wärmen.

Aber eigentlich beginnt die Geschichte von meinem Vater und dem Truthahn viel früher. Sie fängt 1945 an, als mein Vater fünf war. Sein Vater war weg, erst im Krieg, dann in Gefangenschaft. In seinem Soldbuch steht, dass er von Beruf Holzmacher war. Dabei war er Wanderarbeiter, meist Straßenpflasterer. Er teerte und pflasterte schon in den 20ern die Champs d'Elysées. Später eroberte er Frankreich. Lesen und schreiben konnte er nur wenig.

Als Großvater mein 1949 wiederkam, war er ein Gespenst. Ein müder, kranker, verlebter und abgekämpfter Mann. Er ist auch nicht alt geworden, 1956 gestorben. Mein Vater mochte seinen Vater nicht. Er hatte andere Helden, strahlendere Helden. Er hatte die Amerikaner.

Sie päppelten meinen Vater mit der Schulspeisung auf. Sie vögelten seine Tanten und gaben dem Buben Candy, damit er wegschauen solle. Später las mein Vater Tom-Mix-Heftchen, natürlich auf Deutsch. Weil Englisch lernen konnte man nicht in der Volksschule in Idorf. Und die Amis wollten ihm auch kein Englisch beibringen, sondern die Tanten vögeln.

Später machte mein Vater auf halbstark, es gibt Bilder von ihm, mit Elvis-Tolle, Cuba-Krawatte, Kippe im Mundwinkel. Man kann die Stangenbrillantine noch riechen auf den Bildern. Dann verliebten sich meine Eltern ineinander. 1961 wurde geheiratet. Weil meine Mutter erst 19 war und daher minderjährig, musste mein Vater die Heiratserlaubnis von seinem Schwiegervater abkaufen. 3000 Mark hat sie gekostet. Der Schwiegervater wollte das Geld treuhänderisch verwalten, bis meine Eltern bauen können. In Wirklichkeit hat er das Geld versoffen. Mein Vater konnte die 3000 Mark nicht bei einer Bank auftreiben, vielmehr musste er sich mit einem Knebelvertrag an seinen Arbeitgeber binden, der ihm das Geld vorstreckte. Abbezahlt hat Vater bis 1965, dann kam ich zur Welt.

Mit den Schulden und meiner Geburt hatte mein Vater ihn ausgeträumt, den Traum von Amerika. Zumindest tat er so. In Wahrheit blieb er seinem Traumbild treu. Er schaute mit Vorliebe amerikanische Filme, klaubte ein paar amerikanische Vokabeln auf, die er heute noch beharrlich falsch ausspricht, hatte sogar einen amerikanischen Freund. Einen schwarzen GI, Jack oder Bob, der nach seiner Dienstzeit hier blieb und einen Coca-Cola-Laster fuhr. Und dieser Kumpel Jack oder Bob war es, der meinem Vater einen Floh ins Ohr gesetzt hat. Einen Floh von außergewöhnlicher Dimension. Groß wie ein Truthahn.

Diesen Truthahn gäbe es in Amerika zu jedem größeren Familienfest. Er sei ein Zeichen von Wohlstand. Das waren meines Vaters Worte, als er ihn vor Weihnachten 1971 anschleppte, ein gigantisches Vieh. Und ich sah den Stolz in meines Vaters Augen.

Meine Mutter war wenig begeistert. Das merkte ich daran, dass sie meinen Vater ins Wohnzimmer zog. Ins Wohnzimmer gehen, das taten sie immer, um nicht vor mir zu streiten, aber ich hatte sie längst durchschaut. Was einfach war. Das Gekeife und Gebrüll drang durch die dünnen Wände, auch das Geheul meiner Mutter.

Auch diesmal wieder konnte ich es hören. „Wir haben kein Geld und du schleppst diesen Scheißdreck an.“ Dann mein Vater: „Es ist kein Scheißdreck, du bist Scheißdreck.“ Und so weiter, und so weiter. Bis mein Vater zornesweiß aus dem Wohnzimmer rannte und meine Mutter rotgeheult zurückließ.

Aber dann war Weihnachten. Am Morgen des ersten Weihnachtstags packte meine Mutter das Riesenvieh, das schier nicht durch die Öffnung passen wollte, in den Elektroherd. Das Mordstrumm briet und briet – und irgendwann war es fertig. Wir aßen. Mein Vater schlang, meine Mutter aß langsam. Wie sie es heute noch tun. Als wir fertig waren, konnte man an dem Vogel nur ein paar Kratzspuren feststellen. Es fehlte vielleicht eine Unterkeule und die Brust war angeschnitten.

Deshalb gab es auch am zweiten Weihnachtsfeiertag Pute. Weil das Vieh nicht in den Kühlschrank passte, hängte Vater das Gerippe danach im Dachboden auf. Jeden Tag ging Mutter nun mit dem langen Messer mit dem weißen Plastikgriff nach oben, zog die Bodenklappe herunter, klappte seufzend die Leiter auseinander und kam mit einem Stück Pute nach unten, das sie stumm zubereitete und das von Tag zu Tag trockener schmeckte. An Heiligdreikönig war es dann Vater, der nach oben ging, das Gerippe herunterholte, die letzten Fleischreste abfieselte und durch den Fleischwolf drehte. Daraus kochte Mutter eine Hackfleischsoße zu den Spaghetti.

Ich war sechs und sah meinem Vater zu, wie er die Fleischreste vom Gerippe löste. Er tat es ungerührt. Ganz normal. Und trotzdem war mir auf einmal klar, wie sehr sich mein Vater in diesem Moment als Verlierer gefühlt hat. Und wie weit weg sein Amerika war.

Frohe Weihnachten!

Donnerstag, 21. Dezember 2006

Bedrohte Wörter

Da gibt es eine nette Seite im Netz, auf der viele Leute emsig bedrohte Wörter anhäufen. Ein ehrbares Unterfangen, um dem Denglischen zu wehren. Wiewohl: Das hehre Ziel gerät mitunter in Widerstreit mit der Political Correctness.

Neger, Zigeuner und der Erbfeind, despektierlich auch Franzmann genannt. Dazu der Iwan und der Muselmann, der Mohrenkopf, das Irrenhaus und der Judenspeck (heute Mäusespeck genannte Süßigkeit). Diese Begriffe entstammen nicht aus dem Braunwelschen der Drecksnazis. Diese Wörter sind einfach nur alt und abgelöst. Zumeist mit Recht. Und: Diese Wörter zeugen auch davon, dass die gute alte Zeit gar nicht so gut war, sondern xenophob und scheiße.

Aber wenn jemand dort auf dieser Internetseite ein solches Wort postet und dabei durchaus auf den Zeitkontext hinweist, winden sich die Wortantiquare auf der Seite in ihren Kommentaren gequält hin und her. Weil das hehre Ziel der Sprachkonservierung und Political Correctness halt einfach nicht zusammengehen wollen.

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