Dienstag, 27. Juni 2006

Hosen runter!

Einsamer Feldweg. Ein Mann um die 40 liegt vor der Friedhofseinfahrt. Die Hose und Unterhose hat er bis zu den Kniekehlen heruntergezogen, stöhnend fummelt er an sich herum. Zwei Kinder auf Inlinern stehen neben dem Mann. Erschrocken schauen sie herab auf den Alten, können sich nicht losreißen von dem entsetzlichen Anblick. Endlich kommt eine Oma vom Parkplatz des Friedhofes herbeigeeilt. Mit einer eisernen Gießkanne bewaffnet, stellt sich zwischen die Kinder und den Mann. Lauthals schreit sie ihn an, gutturales Zeug, und fängt an, drohend mit der Gießkanne zu fuchteln. Der Mann will sich erklären, nimmt dann aber, als die Gießkanne bedrohlich immer näher kommt, wimmernd reißaus.

Der Mann ohne Hosen bin ich. Die Kinder sind meine.

Passiert ist das Ganze vor vier Wochen. Endlich ist genügend Gras über die Geschichte gewachsen, sodass ich mich traue, sie zu erzählen.

Ich fahren mit meinen Kindern Inliner. Und weil mein Sohn die abschüssige Friedhofseinfahrt mit einem "Hui" hinunterbraust, will ich alter Esel es ihm gleichtun. Ich stürze hinterher. Steche mit dem rechten Schuh ein. Falle wie ein Klotz auf die linke Seite, dass es mir schwarz vor Augen wird. Als ich bemerke, dass mir an der Hüfte nass herunterläuft, reiße ich mir die Kleidung vom Leib und taste mich ab. Blutiger Anfänger.

Der Rest der Geschichte steht oben. Der Oma bin ich seither im Dorf noch nicht begegnet, was für ein Glück.

Montag, 26. Juni 2006

Intelligenz

Duch die Chronik-Schreibereien habe ich es mit vielen schwerreichen Leuten zu tun und rücke Ihnen dabei zwangsläufig eng auf den Leib. Was ich dabei noch nicht gefunden habe, ist Intelligenz.

Intelligenz ist Definitionssache. Für mich gehört zur Intelligenz, dass der intelligente Mensch:
  • einen Standpunkt hat und erklären kann, wie er zu diesem Standpunkt gekommen ist.
  • erkennt, dass es andere Menschen mit anderen Ansichten gibt.
  • in der Lage ist, sich in andere Menschen zu versetzen und dabei gewahr wird, dass der andere Mensch von seinem Standpunkt aus gar nicht anders kann, als eine andere Meinung zu vertreten.
  • zuletzt kapiert, dass man in der einen Sache verschiedener und in einer anderen Sache gleicher Meinung sein kann.
Wie gesagt, habe ich diese Qualitäten bei reichen Menschen nicht gefunden, womit ich zu folgendem Schluss komme, dass reiche Menschen nicht intelligent sein können.

Tut mir also Leid, kranich05.

Hier waren wir unterschiedlicher Meinung, hier schenkst Du mir ein großes Lob. Nach obiger Definition bist Du also intelligent. Aber reich an Geld, in dem Sinne, dass Geld für Dich kein Zahlungsmittel mehr, sondern ein Machtmittel ist, reich bist Du nicht. Dafür vielleicht reich an etwas anderem.

Freitag, 23. Juni 2006

Ausgebootet

Gestern ruft ein Kunde an, den ich gemeinsam mit einem befreundeten, selbständigen PR-Berater E. betreue. Die Aufgabenteilung: E. macht das Konzeptionelle und, weil er nah am Kunden sitzt, auch das Zurufgeschäft. Wir als Agentur übernehmen die Redaktion und Herstellung eines nicht zeitkritischen Periodikums, wobei E. als Organisator, Ideengeber und Korrektiv mitwirkt, für ein eher kleines Salär. An den Job bin ich allein über E. gekommen. Ich bot ihm eine Provision an, er wollte keine.

Wie gesagt, der Kunde ruft nun an und fragt: "SagnSe mal, Stachanow, ich frage mich die ganze Zeit, nachdem das Projekt so gut läuft, ob wir den E. darin überhaupt noch brauchen. Das ist doch unnötig, dass wir das über seine Bande spielen, oder?"

Ich eiere rum, rede von E. als Organisator, Ideengeber und Korrektiv und uns als Umsetzer. Der Kunde sagt: "Aber das Konzept steht doch jetzt und der Workflow auch, und Sie sind doch in der Lage, das Projekt umzusetzen. Oder verstehe ich das falsch?" Natürlich, antworte ich, natürlich kann ich das Projekt umsetzen. "Dann passt es ja und wir werden E. anderweitig einsetzen", schließt der Kunde.

Hoffentlich ist das mit dem "anderweitig einsetzen" nicht das, was ich befürchte. Der Euphemismus für "ausgebootet werden". Und ich darf jetzt das Gespräch meinem Freund beichten.

In meiner A-Jugend

In meiner Jugend auf dem Dorf gab es nur Fußballer und Nicht-Fußballer. Natürlich war ich Fußballer. Aber kein guter. Meine Ballbeherrschung ließ zu wünschen übrig. Alles, was ich als nicht-technischer Linksaußen konnte: An der Mittellinie den Ball annehmen, den Ball innen oder außen am Verteidiger vorbeispitzeln, den Abwehrspieler dann mit meinem guten Antritt überlaufen, bis zur Grundlinie rennen und eine Flanke schlagen. War die präzise, hatte ich ein Tor vorbereitet. Denn in der Mitte stand Manni, der Mittelstürmer, und brauchte nur noch den Kopf hinzuhalten. Aber beileibe nicht jede Flanke kam an.

In der C-Jugend wurde ich deshalb dagradiert und in die zweite Mannschaft verwiesen. Mit 14 machte mein Körper einen Schub in die Länge und Breite, sodass ich in der B-Jugend in die erste Mannschaft durfte, wenn auch meist nur Ersatz für die zweite Halbzeit. Als ich mit 16 in die A-Jugend kam, war ich aber wieder einer der kleineren. Und es gab keine zweite A-Jugend, in die ich hätte verwiesen werden können. Und die A-Jugend wollte unbedingt aufsteigen, in die Bezirksliga.

Ich als Linksaußen wurde deshalb lange Zeit links liegen gelassen. Im wahrsten Wortsinn. Denn ich durfte immer meine Halbzeit lang auflaufen, das war halt so. Wer ins Training kam, hatte ein Anrecht darauf. Mitspielen aber durfte ich nicht wirklich. Okay, mir den Ball zu geben war riskant, ich verstolperte den Ball öfter als andere. Trotzdem: Meine Flankenläufe kamen mitunter durch, und weil ich viel übte, wurden meine Flanken immer präziser. Nur Manni, der Mittelstürmer, stand immer seltener auf seiner Anspielposition. Weil er den Ball von mir gar nicht mehr wollte. Ich überrannte den Gegner auf einer halben Fußballplatzlänge, und von meinen Mitspielern lief keiner mehr mit.

In meinem letzten Spiel wurde ich von meinen Mitspielern kein einziges Mal angespielt. Sogar mein Gegenspieler fragte, was los sei. Als es mir einmal gelang, ihm den Ball abzuluchsen und einen Pass auf Manni zu schlagen, ließ der den Ball absichtlich ins Aus laufen, dabei gestikulierend, der Pass wäre zu ungenau gewesen.

Ich habe dann den Verein gewechselt, bin zu einer unterklassigen Mannschaft im Nachbardorf gegangen. Dort sind allen die Bälle versprungen. Aber es hat Spaß gemacht. Und keiner hat die Realität auf dem Platz mit der Realität abseits des Platzes verwechselt.

Mittwoch, 21. Juni 2006

Alleinstellungsmerkmale

"Innovation": 698.000.000 Google-Hits
"Effizienz": 7.800.000 Google-Hits
"State of the art": 4.000.000 Google-Hits (Seiten auf Deutsch)
"Innovativ": 3.910.000 Google-Hits
"Innovationskraft": 1.010.000 Google-Hits
"Spart Zeit und Geld": 123.000 Google-Hits
"Sparen Zeit und Geld": 51.000 Google-Hits

Wer den anderen alles nachplappert, braucht sich nicht zu wundern, wenn er ununterscheidbar wird.

Kundenorientierung

Bei uns steht der Kunde im Mittelpunkt.
Und damit immer im Weg.

Wie schnell sich doch Worthülsen durch Subtexte entlarven lassen.

Montag, 19. Juni 2006

600 Zeichen

Vor einer Woche klingelt das Telefon. Am Apparat eine Frau H. Sie will ein Praktikum. Ich frage das Übliche ab. Sie hat was Geisteswissenschaftliches studiert, bei der Regionalzeitung und Dudelfunkern hospitiert. Frau H. klingt unsicher, ich versuche, ihr die Nervosität zu nehmen. Ich will sie auch, denn ihr Anruf kommt just zur rechten Zeit, gerade läuft ein größeres Online-PR-Projekt. Deshalb zeige ich mich freundlich. Nur will ich wissen, ob Frau H. schreiben und dabei auf den Punkt kommen kann. Deshalb bitte ich sie, mir geschwind in 600 Zeichen zu mailen, was Sie sich von dem Praktikum erwartet und erhofft. Bis heute kam nichts.

Dieser Beitrag hatte bisher 640 Zeichen mit Leerzeichen, ohne waren es 538. Manche Karrieren bleiben früh an niedrigen Hürden hängen.

Gut aufgestellt

Die Worthülse "gut aufgestellt" im Sinne von "vorbereitet sein": Vom medial vermittelten Sportsprech wanderte sie mit dem Wunsche der medialen Vermittlung ins Managersprech und von dort, so scheints, wabert sie wieder zurück zum Geschwafel über die fußballerische Leibesertüchtigung. Ich warte darauf, dass Reinhold B. Kernerbeckmann sagt, die deutsche Mannschaft sei "gut aufgestellt".

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